Rund um das Muldental 2012
Es sollte ein langer Tag werden: Am 24. Juni fanden die Deutschen Meisterschaften im Straßenradsport in Grimma statt, so kurz würde der Anreiseweg zu diesem Event in den nächsten Jahren wohl nicht mehr werden, daher stand schon früh für mich fest, mir das Spektakel, das leider kaum noch Medienpräsenz genießt, live vor Ort anzusehen, um die Radsporthelden anzufeuern. Dazu kam dann sehr schnell die Möglichkeit, denselben Rundkurs am selben Tag in einem Jedermannrennen zu bestreiten, aber natürlich nicht so häufig wie die Profis – gebucht. Teamkameraden sträubten sich, verwiesen auf das Muldentalrennen, zu diesem frühen Zeitpunkt glich die Streckenführung der DM der des jährlichen Jedermannklassikers aber nur im Anstieg nach Döben, nicht aber in der berüchtigten Abfahrt, die bei der DM beim damaligen Stand der Dinge außen über die Hauptstraße nach Grimma zurückführen sollte.
Einige Wochen vorm Start dann die Überraschung (oder auch nicht – warum ein ähnliches Rennen, wenn man das gleiche schon jahrelang ausgetragen hat?): Das Rennen und um das Muldental 2012 verlief also doch auf der berüchtigten Strecke, die sowohl Jedermänner als auch Profis fahren sollten. Dies veranlasste meinen einzigen ebenfalls angemeldeten Teamkameraden am Vortag dann auch dazu, das flache GCC-Rennen am Hockenheimring diesem Event vorzuziehen. Mir selbst war auch etwas mulmig, bei schlechtem Wetter hätte ich vermutlich auf den Start verzichtet, aber das Wetter spielte das ganze Wochenende zum Glück mit. Da der Start um 8 Uhr sein sollte, buchte ich mir ein Zimmer in einer Privatpension und reiste am Samstag Mittag an, rechtzeitig, um mir bei der Akkreditierung den Start des Frauenrennens anzusehen. Ich fuhr zur Pension, zog mich um und machte mich mit dem Rad auf den Weg, die Strecke noch mal abzufahren. An der Strecke traf ich André, wir sahen uns einige Runden des Rennens an, bevor ich mich hinterm Schlusswagen auf die Streckenerkundung aufmachte.
Auf der Runde realisierte ich, dass die Abfahrt aus Döben heraus (Schlossstraße) bei Trockenheit und fehlendem Gegenverkehr an Schrecken verliert, wenngleich man natürlich aufmerksam fahren sollte. Im Start/Ziel-Bereich schaute ich mir noch Judith Arndts ungefährdeten Sieg zu, bevor ich wieder zu meiner Unterkunft rollte. Den Abend verbrachte ich dann mit Vorräten Einkaufen, beim Griechen Essen und Fußball Gucken. Taktisch musste ich mir für den nächsten Tag keine Gedanken machen, ich bin von der Statur her kein Bergfahrer, liebe aber trotzdem solches Terrain, also: Spaß haben. Zum Start hatte ich es nicht weit, daher machte ich mich erst kurz nach halb 8 auf, um mit über 150 anderen Radlern die fünf 10,5 Kilometer langen Runden anzugehen.
Runde 1
Schon in der Abfahrt aus Grimma heraus zerfiel das Feld, obwohl die Abfahrt kaum Schwierigkeiten aufweist. Im Anstieg nach Döben (Kohlenstraße, maximale Steigungen von über 10%) überholte ich einige Fahrer, alles sortierte sich, an der Bergkuppe lag ich zwischen 2 Gruppen, in der Abfahrt konnte ich so ungehindert steuern, in der „Ebene“ (eine Welle mit 1 bis 4%) fuhr ich an die Gruppe heran und erholte mich ein wenig im Windschatten. Über die Mulde führte die Strecke wieder nach Grimma, der letzte Kilometer der Runde führt erst 800m mit 4 bis 5% aufwärts, bevor noch eine Rampe mit 8% ins Ziel wartet. Ich sah die nächste Gruppe 200m voraus und setzte mich an die Spitze meiner Gruppe, realisierte, dass diese mir nicht folgen wollte/konnte, und fuhr bis zur Kuppe bis auf etwa 20m an die nächste heran.
Runde 2
In dieser Abfahrt setzte ich alles daran, die Gruppe zu erwischen (67,5 km/h – meine Maximalgeschwindigkeit an diesem Tag) und ich hatte Erfolg. Dann hieß es wieder, sich zu erholen, bevor ich mich vor der Kohlenstraße wieder in eine bessere Position fuhr. Anstieg und Abfahrt in Döben waren dieses Mal nicht so selektiv, in der Ebene rollte alles wieder zusammen. Ich übernahm noch etwas Führungsarbeit, dann Erholung und im Anstieg in Grimma setzte ich mich wieder an die Spitze – die nächste Gruppe im Blick – und noch vor Start/Ziel hatten wir diese eingeholt.
Runde 3 und 4
Unspektakulär: In Döben zerfällt die Gruppe erst, findet danach aber wieder zusammen (vielleicht nicht alle, weiß ich aber nicht genau), in Grimma führe ich die Gruppe wieder über den Anstieg und in die Abfahrt. Ein Fahrer, der anderthalb Runden zuvor in Döben wegfuhr, wurde wieder eingeholt (264), mehr oder weniger gemeinsam geht es wieder durch Döben und es sortiert sich wieder auf dem Weg nach Grimma, dabei gibt es meist das Déjà-vu, dass ich nach der Abfahrt meist vorne im Wind bin. Ich überlege mir daher schon, wie ich nun taktieren soll, der Anstieg in Grimma – ein Rollerberg + Sprinterrampe – lag mir, also dachte ich mir, dass ich mich Ende der vierten Runde mal nicht an die Spitze setze, sondern im Windschatten Kraft spare. Ich fuhr an vierter Position, als ich merkte, dass Nr.66, gefolgt von Nr.264, das Tempo vorne so anzog, dass der Fahrer direkt vor mir den Anschluss verlor. Ich fuhr schnell vorbei, um den Kontakt zu halten. Die Lücke zur Gruppe riss schnell auf, Eingangs der letzten Runde hatten wir mehr als 10 Sekunden Vorsprung.
Runde 5
Nun hieß es: Sich schnell einig werden. Am Ende der Abfahrt hatten wir uns organisiert und jeder übernahm Führungsarbeit. Immer wieder ging der Blick zurück, die Gruppe holte leicht auf. Dann ging es wieder die Kohlenstraße hoch. Ausgangs des Waldes hatte ich nur noch die 66 hinter mir, es ging in die Abfahrt, hinter der ich plötzlich 50 Meter Vorsprung hatte. Was sollte ich tun, Stück für Stück fanden sich Fahrer zusammen, eine Dreiergruppe war 100 Meter hinter mir, ich fuhr noch nicht Anschlag, da ich noch unschlüssig war. Als ich realisierte, dass der Vorsprung aber auch nicht geringer wurde, zog ich durch, hob mir aber ebenso genug Körner für den Schlussanstieg auf. Erst kurz vor der letzten Kurve war ich mir sicher, dass keiner mehr an meine Position – Platz 34 sollte es am Ende sein von 139 gewerteten Fahrern (dazu kommen noch 8 gewertete Frauen, 10 FahrerInnen fielen wegen Zeitüberschreitung aus der Wertung)- heranfahren würde, sechs Sekunden habe ich ins Ziel gerettet. Das Rennen hat richtig Spaß gemacht und am Ende fand ich es schade, dass es nur 5 Runden waren, aber wer weiß, wie ich nach 6 oder 7 Runden gedacht hätte. Ich bin auf jeden Fall am Überlegen, ob ich das Rennen im nächsten Jahr auch ohne Profirennen wieder angehen werde.
Vielen Dank noch mal an meine Teamkameraden, die früh aufgestanden waren, um mich anzufeuern. Im Anschluss an das Jedermannrennen fand dann das Rennen um die Deutsche Meisterschaft der Profis statt, das wir uns dann angesehen haben.